Glauben und Leben in der Fastenzeit

Frühling erwacht (C)jugendfoto.de
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In allen Kulturen gibt es so etwas wie die Fastenzeit, eine Zeit, sich körperlich gleichsam auf das neu aufblühende Jahr einzustellen und diese Regeneration auch geistig-seelisch zu nützen. Für Christen hat diese Zeit als Zeit der Vorbereitung auf das Osterfest einen speziellen Charakter.

Es ist eine Möglichkeit, intensiver auf das Leben und sich selber zu schauen.

Das Leben ist geprägt von Erfahrungen der Freude und Schönheit, von der Natur im Frühling, von guten Begegnung und all den Erlebnissen, für die man dankbar sein darf. Es gibt aber auch Erfahrungen der Beeinträchtigung, von Einsamkeit, Ängsten, Hilflosigkeit, Schmerzen und Missachtung. Es sind dies körperliche wie seelisch-geistige Erfahrungen im Leben und Zusammenleben.

All dem gilt zu bestimmten Anlässen unsere besondere Aufmerksamkeit. Das ist für uns bedeutsam. Bestünde nicht sonst die Gefahr, wenn es neben dem Alltag keine Höhepunkte gäbe, dass unser Leben zum Einerlei verkäme?

In der Fastenzeit könnten wichtige Erfahrungen des Lebens verstärkt in den Blick kommen:

Es sind dies Erfahrungen, vor denen wir uns gerade im Alter schwer schützen können, etwa Gefühle der Unsicherheit und Ängste vor Unabwägbarkeiten, Schmerzen, vor Ausgeliefert-Sein; all das engt das Leben ein. Diese Gefühle sind bei jüngeren Menschen in der Kraft des Lebens weniger vorhanden. - Auch Ereignisse von außen, wie Unglück, Gewalt geistiger und körperlicher Bedrohung erschrecken. - Andere Erfahrungen, die uns nahe gehen, können aus zwischenmenschlichen Begegnungen erwachsen, etwa durch lieblose Handlungen mit seelischer Kränkung. Und Verdächtigung, üble Nachrede, gezielte Zurücksetzung, Spott im privaten oder öffentlichen Leben treffen uns im Innersten, fügen Leid zu, überfordern uns oft. Wem fällt da nicht das Sprichwort ein vom Tragen des oft alltäglichen Kreuzes? Wie wohltuend ist es dann, wenn uns Menschen zugetan sind, wohlwollend begleiten, tröstend zur Seite stehen. - Als letzte Herausforderung wartet auf uns am Ende des Lebens das Sterben. Kein Mensch kann ihm ausweichen, zeichnet sich der Horizont des Lebens ab. Dieses Sterben erleben wir in verschiedener Weise: Normalerweise versagt der Körper und kann die Lebensfunktionen nicht mehr koordinieren. Doch auch die Erschöpfung der geistig-psychischen Kräfte bewirkt, dass der Mensch der Welt müde wird und die Seele sich einer neuen, ganz anderen Zukunft allmählich zuwendet. Dann wendet sich die Hoffnung des Glaubens auf Gott und vertraut auf seine Zusage, ganz angenommen zu sein. Eine besondere Art des Sterbens mag der Lebenseinsatz für das Leben anderer Menschen sein, durch bewusste Hingabe des eigenen Lebens, das sich so für andere verbraucht. Es ist mitunter eine große Herausforderung, nicht nur vom Leiden anderer zu wissen, sondern auch bei ihrem Leid, ihren Schmerzen, ihrer Gebrechlichkeit auszuharren, sich nicht abzuwenden.

Worauf will uns die Fastenzeit hinlenken?

Die jahrhundertelange menschliche Erfahrung und Volksfrömmigkeit geben dazu eine Anregung, z.B. in den Gedanken des Schmerzhaften Rosenkranzes. Die Fastenzeit, speziell die Kartage, wollen einladen, den Lebens- und Leidensweg Jesu genauer anzuschauen. Dabei sehen wir auf die eigenen leidvollen Erfahrungen. Jesus hat sie – in Liebe zu uns – wie wir, mit uns durchgelebt. Er ist mit uns, wenn wir das alles erleben, durchleiden und durchhoffen:

Der für uns Blut geschwitzt hat: die Erfahrung der Ahnung von Gewalt und dem hilflos ausgeliefert zu sein, der bedrängenden Angst vor und in Leid und Tod in der „Ölbergnacht“;

Der für uns gegeißelt worden ist: die Erfahrung der körperlichen, rohen und herabwürdigenden Menschen verachtenden Gewalt;

Der für uns mit Dornen gekrönt worden ist: die Erfahrung der seelischen, geistigen Bedrängnisse etwa durch Lüge, Hohn, öffentlicher Verachtung und Schmähung;

Der für uns das schwere Kreuz getragen hat: die Erfahrung, dass der Lebens- und Sterbeweg eine alle Kräfte beanspruchende und alles abverlangende Herausforderung ist;

Der für uns gekreuzigt worden ist: in der Erfahrung des Sterbens sich dennoch Gott ganz anzuvertrauen, alle Hoffnung auf ihn zu setzen und sich seiner Liebe zu überlassen.

Gott will uns gerade dann nahe sein, wenn das Leben an seine Grenzen kommt; das mag uns bestärken, unsere Zukunft in Gott zu erwarten.

Möge das uns begleiten durch die Fastenzeit als eine Zeit der Besinnung auf dem Weg zum Osterfest – dem Fest der Hoffnung auf ein ganz neues Lebens, in Freude und dann ohne Leiden jedweder Art…

Text/Dr. Udo Zeilinger

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